Eigentlich habe ich keine Probleme mit dem Fliegen. Flugzeuge sind die schnellste Möglichkeit, ans andere Ende der Welt zu kommen und exotische Kulturen kennenzulernen. So komme ich schnellstmöglich nicht nur nach Indien, Nepal, Thailand, Mexiko, Costa Rica, Kuba, Brasilien, die USA, sondern auch in wenigen Stunden in viele Länder Europas. Flugangst, feuchte Hände oder ein erhöhter Puls haben mich dabei nie beschlichen.
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Klar, Fliegen ist nicht wirklich bequem. Spätestens nach einer Stunde wird der Hartschalensitz in der Economy Klasse jeder Fluggesellschaft unbequem. Echte Beinfreiheit: Fehlanzeige! Man rutscht mit dem Popo von rechts nach links, sucht eine einigermaßen erträgliche Sitzposition. Reckt und streckt die Wirbelsäule, die sich schon nach kurzer Zeit eigenartig zerknautscht anfühlt.
6 Zahlen können Angst einjagen
Hat man einen Fensterplatz erwischt, ergibt sich der Vorteil, sich an die eiskalte plastikverschalte Kabinenaußenhaut lehnen zu können. Manchmal verhilft diese Stütze zu einem mehrminütigen oder sogar stundenlang Schlaf. Auch das gelingt mir übrigens gut. Mit ganz viel Glück schlafe ich manchmal schon ein, bevor der Flieger abhebt, und wache auf, kurz, bevor die Crew die Landung ankündigt.
Doch bei meinem Flug nach Fuerteventura war diesmal alles anders. Ausgelöst durch einen Blick auf die Rückwand meines gelb-blauen Vordersitzes. Da stand in kleinen Buchstaben und Zahlen über den Piktogrammen der Safety Instruction – also den Verhaltensanweisungen in Notfällen – der Flugzeugtyp, in dem ich mich befand: Boeing 737 – 800.
Im Prinzip keine Information, die mich bislang jemals erschreckt hätte. Fliege ich doch schon seit Jahren immer mal wieder mit Ryanair und weiß ich doch, dass der Billigflieger seit Jahren aus Kostengründen immer nur einen Flugzeugtyp im Einsatz hat: Die Boeing 737.
Doch diesmal treibt mir der Flugzeugtyp tatsächlich den Pulsschlag hoch. Hatte mir doch meine Freundin erst vor wenigen Tagen von zwei TV-Dokumentationen erzählt, die sie über Boeing gesehen hatte (Anm. d. Redaktion: Hier könnt ihr „Absturz: Der Fall gegen Boeing“ bei Netflix sehen).
Dort ging es um die letzten Abstürze der Boeing 737 mit Hunderten Toten. Nach zwei schweren Unglücken der Boeing 737 Max 8 wegen identischer Fehlfunktionen an den Flugzeugen innerhalb von knapp fünf Monaten wurde zwischen März 2019 und November 2020 weltweit Betriebsverbote für alle 737 MAX-Versionen verhängt, das mittlerweile jedoch wieder aufgehoben wurde.
Nie wieder in eine Boeing steigen
Dennoch bleiben laut der Dokus Zweifel, ob alles bei der Wiederzulassung mit rechten Dingen zuging. Ein US-Gericht entschied erst im Oktober 2022, „dass es ohne [eine kriminelle] Verschwörung bei Boeing nicht zu den Abstürzen gekommen wäre.“ Auch in den Filmen ging es um Mauscheleien und Ungereimtheiten.
Für meine Freundin, die selbst gerne reist und in der Welt unterwegs ist, stand jedenfalls fest: „Ich steige in keinen 737 Boeing-Flieger mehr ein.“ Was für eine Aussage, entgegnete ich ihr – und was für eine Aufgabe. Ist sie ein bisschen hysterisch? Oder vernünftig?
Für Flugreisen ist eine Boeing-Verweigerung jedenfalls ein echtes Problem: kommt doch praktisch jede zweite Passagiermaschine aus dem Hause Boeing. Zudem war die 737, die erstmal in den 1960er-Jahren auf den Markt kam, lange das meistverkaufte Flugzeug für Mittelstrecken auf der Welt (Airbus hat mit der A320-Modellfamilie die 737 von Boeing vom Spitzenplatz des meistverkauften Flugzeugmodells verdrängt).
Was aber sollte ich jetzt tun? Wieder aussteigen? Meine einwöchige Auszeit im Winter nicht auf den sonnigen kanarischen Inseln verbringen, sondern im eisigen Berlin bleiben?
Kurz zögerte ich. Dann verschaffte ich meiner plötzlichen Angst Luft, in dem ich noch vor dem Start eine SMS an meine Freundin abschickte: „Ich sitze in einer Boeing 737 – 800. Bitte drück‘ mir die Daumen.“
Aber ich entschied, sitzen zu bleiben
Doch, ganz ehrlich: Der Flug fühlte sich diesmal tatsächlich ganz anders an. Jedes Mal, wenn das Anschnallzeichen aufleuchtete und die freundliche Stewardess alle Passagiere aufforderte, wegen möglicher Turbulenzen in den nächsten Minuten auf den Sitzen zu bleiben und die Toilette nicht zu benutzen, spürte ich, wie sich mein Körper zusammenzog.
Ich glaubte, beobachten zu können, dass die Spitze des Flugzeuges tendenziell zu weit nach oben zeigte oder beim nächsten Mal etwas sehr nach unten geneigt war. Immer wieder blickte ich auf die Flügel. Ich saß auf Platz 20 F, am Fenster.
Bemühte mich, als Flugzeugexpertin, die ich natürlich nicht bin, und suchte während des über vierstündigen Flugs nach möglichen Unregelmäßigkeiten. Doch bis auf ein leichtes Ruckeln blieben größere Störungen aus.
Aber es ist schon verrückt, wie sich Gedanken im Gehirn einen eigenen Film zusammenspinnen können. Man denkt sich schon in den Abgrund, malt sich Schlimmstes aus. Doch alles nur reines Kopfkino.
Letztlich kann dadurch Fliegen richtig unangenehm werden und sich deutlich länger anfühlen. Warum? Wegen einer Information über den Flugzeugtyp und seiner Geschichte.
Ich war jedenfalls tatsächlich glücklich, als wir wieder gelandet waren. Heil und sicher – dem Piloten gelang sogar eine Traumlandung, bei der man noch nicht mal das Aufsetzen der Räder auf der Landebahn spüren konnte.
Ich habe jedenfalls beschlossen, alle Zweifel, Kritik und Dokumentationen über die vergangenen Zwischenfälle bei Boeing zu verdrängen
Stattdessen will ich an die Seriosität der Aufsichtsbehörden glauben und die Professionalität der Piloten, mich auch in Zukunft weiter an jedes Ziel sicher zu fliegen.
Meine Erfahrung und Erkenntnis: Hirngespinste, Sorgen und Ängste über mögliche Gefahren in der Zukunft schmälern nur die Lebensfreude – und am Ende trifft alles Befürchtete in der Regel eh nicht ein.
Also vertraue ich weiter lieber wieder mehr auf das Hier und Jetzt.
Auch beim Rückflug – um endlich wieder beruhigt den Flug verschlafen zu können.
Autorin dieses Textes: Beate K.
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