Hilfe, ich leide an Misophonie!

Ich weiß, dass die meisten Menschen nichts dafür können, wenn sie Geräusche beim Essen machen oder es gluck-gluck macht, wenn man ein Getränk einschüttet. Aber: ich HASSE diese Geräusche. Und vor wenigen Wochen habe ich erfahren, dass es dafür auch einen Begriff gibt: Misophonie. Ich leide also an Misophonie!

Wenn jemand schmatzt, schlürft oder laut mit Chips oder Nachos knackt, könnte ich ausrasten. Schlimm, wenn jemand im Kino neben mir sitzt und die ganze Zeit Geräusche verursacht – es ist für mich kaum zu ertragen.

Die speziellen Sound-Effekte, die man beim Essen mit Zunge, Kiefer und Mund verursacht, treiben mich regelrecht in den Wahnsinn. Und ich kann es einfach nicht überhören.

Eine Zugfahrt wird für mich zur Qual – auch ich leide an Misophonie

Ein ehemaliger Vorgesetzter (Chef wäre jetzt übertrieben) hämmerte mit seinen Finger wie verrückt auf die Computer-Tastatur ein – und ich rastete (innerlich) aus. Als er das Unternehmen verlassen musste, war ich erleichtert.

Besonders fies wird es (und es tut mir auch immer leid), wenn meine Geräuschempfindlichkeit sich auf besonders nahestehende Angehörige konzentriert.

Das belastet auch mich, weil ich ausgerechnet gegenüber geliebten Menschen in bestimmten Momenten regelrecht Wut und Hass empfinde, für die sie ja überhaupt nichts können.

Vielleicht höre ich deswegen unentwegt Musik, um Geräuschen zu entgehen, denn anders kann ich es oft nicht aushalten. Ihr könnt euch vorstellen, wie grauenvoll eine Zugfahrt oder ein Flug für mich werden können!

Woher stammt der Begriff Misophonie?

Wie immer haben die alten Griechen ihre Finger im Spiel. Denn der Name setzt sich aus dem griechischen Misos für Hass und Phone für Geräusch zusammen: Der Hass auf Geräusche also. 

Misophonie ist eine neurologische Störung, bei der auditive Reize (manchmal auch visuelle) im Zentralnervensystem falsch interpretiert werden. Was genau eine Misophonie verursacht, ist noch unklar.

Daran erkennt ihr, dass ihr ebenfalls an Misophonie leiden könntet

  • Einige Geräusche lösen bei euch negative Gefühle aus: Das kann Wut, Ekel, Hass oder Unwohlsein sein
  • Geräusche stören euch nicht per se: Nur bestimmte Klänge – nur eure Trigger-Geräusche (bei mir lautes Tastaturtippen oder das Einschenken eines Getränks) –  bringen euch zur Weißglut
  • Wenn ihr im Großraumbüro nur noch mit Kopfhörern arbeiten könnt
  • Ihr meidet ein Abendessen mit vielen Menschen?

Obwohl viele Menschen seit Jahren an Misophonie leiden, wurde die Krankheit erst seit den 1990er Jahren als solche anerkannt.

Unglaublich, aber wahr: Laut einer internationalen Studie springt jeder 10. bis 20. auf Geräusche an, die er nicht aushalten kann.  Eine Behandlungsmethode gibt es noch nicht, aber eines kann ich mit Sicherheit sagen. Ein einfaches „Dann hör‘ doch einfach weg“ oder „Reiß‘ dich doch einfach mal zusammen“ hilft nicht.

Oft wird das Problem nicht erkannt und deshalb falsch behandelt. Ein Versuch bei Misophoniker: Die Konfrontationstherapie, wie sie bei Phobien eingesetzt wird, um die Toleranz für die gehassten Töne zu erhöhen. Doch für Misophoniker kann dies genau der falsche Weg und eine sinnlose Tortur sein. Weitere Themen dieser Art.