Henryk Górecki – Symphony No. 3 mit Beth Gibbons

Gestern Abend fand im Berliner Kino Babylon die Veranstaltung Henryk Górecki: Symphony No. 3 mit Beth Gibbons (der Frontfrau der Triphop-Band Portishead) statt, auf die ich mich wochenlang freute. Und was soll ich sagen? Ich wusste im Vorfeld nicht, was mich erwartet – wird nur ein Konzertfilm gezeigt? Wird Beth singen? Ich nehme es vorweg: Der Abend war grandios und besser als erwartet – und das nicht allein wegen der etwas schüchternen Beth Gibbons, die sich kurz vor Filmstart auf der Bühne zeigte.

Nach einem Intro des musikalischen Direktors des Projektes Jason Hazely, der seine fünfseitige Rede und die Erklärungen, wie es zu diesem außergewöhnlichen Projekt gekommen ist, komplett auf Deutsch vorgetragen hat (obwohl er kein Wort Deutsch spricht!), ging es los.

Die polnischen Texte hat Beth aufwändig einstudiert, um die bestürzende Botschaft authentisch zu übermitteln – obwohl sie kein Polnisch spricht

Das Kino Babylon war komplett ausverkauft – und die Menge starrte gebannt auf die große Kinoleinwand. Ort des Geschehens: The National Opera Grand Theatre in Warschau. Was haben wir gesehen? Den 50-minütigen Konzertfilm des Sinfoniekonzerts Henryk Górecki: Symphony No. 3 (Sinfonie der Klagelieder), das von Krzysztof Penderecki dirigiert wurde.

60 Streicher, davon allein 30 Violinen sorgten ab der ersten Sekunde für Gänsehaut. Beth Gibbons sitzt in typischer, gebückter Haltung (mit den Haaren wie immer im Gesicht) neben Penderecki und nach ca. fünf Minuten erklingt zum ersten Mal ihre perfekte, fast zerbrechlich klingende Stimme, die ich in Roads (Portishead) besonders liebe.

Henryk Górecki: Symphony No. 3 ist ist ein durchweg harter Stoff

Ohne Voraberklärungen hätte ich nicht viel verstanden, zumal mir diese Sinfonie (ich gestehe!) vorher nichts sagte.

Sie beginnt mit Marias Klagelied im ersten Satz, handelt im zweiten Satz über das Gebet an der Wand einer polnischen Gestapo-Zelle und endet bei einem schlesischen Volkslied aus dem Widerstand, in dem eine Mutter den Tod ihres Sohnes beklagt.

Alle drei Sätze der Sinfonie sind langsam gehalten. Sie steigern sich langsam zum jeweiligen Höhepunkt bis zum Einsatz von Beths Stimme in einem stetigen Fluss.

Die Kamera schwenkt oft auf Beths Gesicht, der man ansieht, dass sie die Sinfonie lebt und komplett in sich aufgenommen hat. Sie leidet regelrecht. Hinter ihren kinnlangen Haaren schaut immer wieder das linke Auge hervor, mit dem sie den Dirigenten nahezu ängstlich anschaut. Gänsehaut!

Die ikonische Frontfrau einer der wichtigsten britischen Bands der letzten zwei Jahrzehnte hat es sich mit dieser Sinfonie nicht leicht gemacht (sie kann keine Musik lesen und spricht auch nicht die polnische Sprache!) – und Beth hat alle Erwartungen übertroffen.

Ihre Leistung in Zusammenarbeit mit dem Dirigent Penderecki  kann man einfach nur als triumphierend bezeichnen. Und das schreibe ich nicht nur, weil ich sie sehr mag und während ich das hier niederschreibe, sie auch höre. Bitte mehr davon! Weitere Kultur-Themen findet ihr hier.